Andacht zur siebten Szene

Mit der Grablegung schließt sich der Kreis der Bilder. Denn ein Kreis ist es eher als eine Reihe. Der Kuss Mariens verweist wieder auf den Anfang. Die Säulen und der Rundbogen, die das letzte Bildsegment rahmen, sind auch hier zugleich als Architektur der Szene aufzufassen. Die Darstellung eines Kuppelbaus orientiert sich an der Jerusalemer Grabeskirche. Wieder sehr klein wird Josef von Arimathäa gezeigt, diesmal ohne Gehilfen. An seiner Statt erscheint unter dem Sarkophag die Figur des Stifters, Folpertus mit Namen. Die Inschrift über den sieben Bildsegmenten lässt darauf schließen, dass der Stifter das Retabel als Seelgerät für eine verstorbene Person gedacht hat -womöglich für seine Frau. Es ist sein bildgewordenes Gebet für die Erlösung ihrer Seele. Die betenden Hände des Folpertus unter den Wundmalen Jesu scheinen ebenfalls das erlösende Blut des Leichnams auffangen zu wollen. Er selbst hat sich aus der Sicht der biblischen Figuren hinter den Sarkophag platziert. Dort bittet er selbst als einer aus dem Totenreich zu Christus: „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir,“ könnte man ihm unschwer in den Mund legen.

Von diesem Punkt aus wird der Blick in der beschriebenen Weise wieder zurückgelenkt auf die vorangegangenen Segmente, um sich im Bild der Kreuztragung zu bündeln. Diese Komposition entspricht dem Ideal der Leidens-nachfolge, die zur Zeit der Bildentstehung von besonderer Bedeutung für die Frömmigkeit war. Christus spricht: „Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird’s erhalten.“ (Markus 8, 34f)

Literaturhinweis

Die Broschüre "Das Retabel der Stiftskirche Wetter" ist im Buchhandel unter der ISBN Nummer 3-89477-930-6 erhältlich. Wir danken dem Verlag Evangelischer Medienverband Kassel.