Andacht zur fünften Szene

In der Kreuzigungsszene sieht man Maria und Johannes in still ergebener Trauer unter dem gerade verstorbenen Christus. Der Zwischenraum zur Maria unterstreicht die Einsamkeit seines Sterbens. Die Cheruben über dem Kreuz lassen ihren Tränen vergleichsweise hemmungslosen Lauf. Als Thronwächter Gottes bezeugen sie an dieser Stelle die verborgene Majestät des Gekreuzigten. Ihre Trauer gilt nicht nur dem Tod des Gottessohnes, sondern auch der menschlichen Sünde. Der tote Christus wird realistisch dargestellt - in der naiven Weise, die den Stil des Künstlers prägt. Es ist keine Spur von Triumph erkennbar, wie er noch zweihundert Jahre davor die Kreuzigungsdarstellungen des Mittelalters prägte. Unter der Fußstütze steht ein Kelch, um das Blut aufzufangen. Er hat die Form eines Abendmahlskelches. Dies gibt einen Hinweis auf die Frömmigkeit zur Entstehungszeit des Bildes: Die Verehrung des Heiligen Blutes und die mittelalterliche Leidensmystik.

Literaturhinweis

Die Broschüre "Das Retabel der Stiftskirche Wetter" ist im Buchhandel unter der ISBN Nummer 3-89477-930-6 erhältlich. Wir danken dem Verlag Evangelischer Medienverband Kassel.