Liebe Gemeinde,
„Wie bist du heruntergekommen, Gott!“ So hatte es Pfarrer Dr. Hofmann in seiner Weihnachtspredigt am Heiligen Abend ausgedrückt. Dieses Herunter-gekommen ist zweifach zu verstehen:
- Gott ist zu uns Menschen gekommen - in unser Elend und unsere Not.
- Gott wird erniedrigt und von den Menschen gepeinigt und getötet.
Gott lässt sich vorführen. Er lässt es zu, dass Menschen über ihn Gericht halten. Und wenn wir uns das Bild anschauen, dann ist es doch ein Bild des Jammers. Im Richthaus, wo sich die Szene abspielt, bricht die volle Wut des menschlichen Gerichtes über ihn herein. Es ist der Vorhof der Hölle.
Johann Sebastian Bach hat das in der Musik seiner Matthäus-Passion treffend ausgedrückt. Und ich meine, dass man es eindrucksvoller nicht ausdrücken kann. Hören wir zunächst den Text aus der Matthäus-Passion - und dann die Musik:
Wenn wir zum Bild zurückkehren, dann möchte man auch rufen: „Haltet ein!“ Jesus steht den Menschen, die er liebt und um deretwillen er lebt und leidet, von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Er ist heruntergekommen zu uns Menschen. Aber wir Menschen bespucken ihn, verspotten und geißeln ihn. Menschen lassen ihre Wut aus an einem unschuldigen und wehrlosen Menschen. Die beiden Kriegsknechte tun zwar das, was ihnen aufgetragen wurde, aber sie tun es auch mit äußerster Brutalität. Der eine reißt Jesus die Kleider vom Leib, und der andere holt aus, um Jesus mit aller Kraft zu treffen. Aber der Blick Jesu scheint nach oben zu gehen, zu den zwei Himmelsgestalten, denn er weiß: nur von hier kann mir Hilfe und Stärke kommen.
Und wenn wir dieses Bild betrachten und sehen diesen hilflosen Gott uns Menschen ausgeliefert, dann will uns das nicht so sehr eingehen. Uns ist das Bild von Weihnachten lieber. Ein kleines Kind, zwar hilflos in der Krippe, aber doch so vertraut. Und dann die Lieder: „Holder Knabe im lockigen Haar.“ Das sind Bilder so recht nach dem Geschmack der Menschen. Aber ein Mensch, Evangelist: „Da gab er Barrabas los, aber Jesus ließ er geißeln und über-antwortete ihn, dass er gekreuzigt würde.“
Nun das Rezitativ: „Erbarm es Gott! Hier steht der Heiland angebunden. O Geißelung, o Schläg, o Wunden! Ihr Henker, haltet ein! Entweichet euch der Seelen Schmerz, der Anblick solchen Jammers nicht? Ach ja, ihr habt ein Herz, das muss der Martersäule gleich und noch viel härter sein. Erbarmt euch, haltet ein.“ (Musik)
dargestellt als leidender Christus, den möchte man am liebsten übersehen. Übersehen wird aber auch, dass Jesus für dich und für mich auf diese Welt gekommen ist, um uns zu erlösen. Gott wird Mensch und leidet doch unter uns Menschen. Und so soll dieses Bild uns Mahnung und Hoffnung zugleich sein. Hinwendung zu dem, der unsere Rettung ist.
Die zwei Soldaten, die auf Jesus einschlagen, haben noch nicht gemerkt, dass Jesus auch für sie diese Qualen und diese Erniedrigung erleidet. Sie tun einfach ihren Dienst - und das mit brutalster Härte. Und so sehen wir zwei Bilder weiter ebenfalls zwei Menschen. Diese zwei beweinen Jesus, der am Kreuz hängt und Qualen erleidet. Sie sind ganz nah bei Jesus und ihnen wird jetzt erst bewusst, was sie verloren haben. Vorher waren doch die Jünger geflohen oder hatten ihn verleugnet. Nun haben sie Mut, sich zu Jesus zu bekennen und wollen ganz in seiner Nähe sein.
Jesus ist gestorben, brutal, aber ganz anders, als Tode in dieser Welt. Sein Tod hatte Sinn. Er starb für uns zur Rettung. Darum wollen wir uns - so wie die Jünger - unter sein Kreuz stellen und mit ihm leiden und nicht durch unsere Sünden auf ihn einschlagen, wie die zwei Kriegsknechte. Das Bild des leidenden Jesus sollte uns immer Mahnung und zugleich Wegweisung sein, hin zu Jesus, unserem Retter und Heiland.
Amen.
Lektor Ludwig Hampel, Wetter